18. Oktober 2023

Kolonialgeschichte verstehen – Rassismus verlernen

Decolonize the Schools – Workshop für Campus-Mitarbeitende

Das Fortbildungsangebot für die Campus-Mitarbeitenden im Rahmen der Mitgliedschaft im Netzwerk Charta der Vielfalt adressierte dieses Jahr vor allem die Campus-Lehrkräfte. Ziel der Fortbildung war es, einen persönlichen Bezug und eine eigene Haltung zum Thema Kolonialismus zu entwickeln.

Dabei sollte der Blick vor allem auf sich selbst gerichtet sein – welche Denkmuster haben wir gelernt, mit welchen Geschichten sind wir groß geworden? Denn, so der Gedanke dieser Methodik, wer auf sich selbst schaut, auf seine eigenen Gefühle und Gedanken, wird dadurch befähigt, institutionellen Rassismus zu erkennen und einen Weg zu einem diskriminierungskritischen Unterricht finden.

Durchgeführt wurde der Workshop von Lawrence Oduro-Sarpong, Anti-Rassismus und Konflikttrainer, Mediator, Coach sowie 1. Vorsitzender von AfricAvenir International e.V. und Maria Leue, die sich eine Expertise im Bereich der politischen Bildungsarbeit mit dem Schwerpunkt diskriminierungssensible Begleitung von Lernprozessen und Begegnungen aufgebaut hat.

Der Blick in den Spiegel – Empowerment

Nach der Vorstellungsrunde gab es eine Warm-up-Übung. Freiwillige sollten sich ein Bild in einer Kiste anschauen und die Person, die sehen, mit einer Charaktereigenschaft beschreiben. Die anderen Teilnehmenden sollten die Person erraten. Mit jedem Freiwilligen kam eine weitere Charaktereigenschaft als Tipp hinzu.

Nur die Eigenschaften widersprachen sich teilweise. Es gelang der Gruppe nicht, die beschriebene Person zu erraten.

Das hatte seinen Grund. In der Truhe war ein Spiegel angebracht. Jeder der Freiwilligen beschrieb sich selbst. Kein Wunder, dass alle Versuche, die richtige Person zu erraten, ins Leere gingen.

Die Methode ist bekannt als eine Empowerment-Methode zur Stärkung von Eigenmacht und Autonomie. Ursprünglich stammt dieser Ansatz für mehr Autonomie aus dem Bereich der Bürgerrechtsbewegung. Heute wird die Methode eingesetzt, um Menschen zu ermutigen, über sich hinauszuwachsen und selbstbestimmt zu leben.

Rassismus als Folge von Kolonialisierung

Um den Zusammenhang von dem, was wir als Kinder in der Schule, in Büchern und Filmen gelernt haben welches unser Denken und Handeln heute prägt, zu verdeutlichen, folgte eine Assoziationsübung. Das Schlagwort: Kolumbus. Spontan genannt wurden aus der Gruppe Begriffe wie: Abenteuer, Entdecker, Sehnsucht nach Ferne, Siedler, Kartoffeln, 1492, Gold, Segelschiff, Schatztruhe, üppige Natur, Held, exotisch usw. In der Summe Wörter, die positiv besetzt sind.

Perspektivenwechsel – Was denken Betroffene?

Dem anschließenden Perspektivenwechsel – Indigene wurden in einem Video nach ihren Assoziationen befragt – folgte vor allem Betroffenheit. Die Antworten verdeutlichten, wie stark das eigene Weltbild, die eigenen Wertevorstellungen, durch die Geschichten, die Bilder, Filme und Schulbücher (Sozialisierung) aus unserer Kindheit geprägt sind.

Anders ausgedrückt: Durch den Perspektivenwechsel verändern sich die Assoziationen. Aus Entdecken wurde Klauen & Diebstahl, Erobern wurde durch Unterdrücken, Vergewaltigen und Töten ersetzt.

Dieser Perspektivenwechsel zeigte den Teilnehmenden, wie prägend das Umfeld, in dem man aufwächst, ist.  Folglich drängt sich die Notwendigkeit auf, zusätzliche Stimmen von den Betroffenen in die Geschichte einzubringen. Die teilnehmenden Lehrkräfte stellten sich dabei selbst die Fragen:

  • Was habe ich gelernt?
  • Wie prägt mich (mein Gelerntes) im Unterricht?
  • Inwiefern kenne ich meine eigenen blinden Flecken?

Tipp: Unterrichtsmaterial

The winner takes it all?

Kolonialismus – Einige Fakten & Infos

In Form eines Impulsvortrages sollten in Dreier-Gruppen richtige Antworten zu verschiedenen Wissensfragen abgegeben werden.

Dabei lernten die Teilnehmenden beispielsweise, dass 80 % der Landfläche der Erde in den letzten 500 Jahren von Europa kolonialisiert war, dass Großbritannien 1919 die größte Kolonialmacht war und dass 1884 in Berlin in der Afrika-Konferenz 14 Nationen Europas die Aufteilung Afrikas aushandelten.

Studie: Welche Auswirkungen hat Rassismus auf Schule?

Jahrhundertelang prägten Denkstrukturen, Rechtfertigungen und Diskriminierungsformen unser Denken. In diesem Zusammenhang wurde der Afro-Zenus 2020 vorgestellt. In der Studie befragt unter anderem Schüler*innen nach ihren ASR-Erfahrungen (ASR steht für Anti-Schwarzen Rassismus).

Die Studie zeigt, dass Schüler*innen und Studierende in vielen Formen, von Beleidigungen bis zu schlechteren Noten, in Deutschland auch heute ASR ausgesetzt sind. (S. 177ff ebenda)

Quelle: Each One Teach One (EOTO) e.V., Afrozensus 2020
Weiterführende Infos: Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/schwarz-und-deutsch-2022/506172/afrozensus/

Über AfricAvenir International e.V.

Die gemeinnützige, international agierende afrikanische Nichtregierungsorganisation (NGO) wurde vor über 30 Jahren gegründet und engagiert in Afrika und in Europa für den Blick auf die (Kolonial-)Geschichte und Gegenwart aus afrikanischer Perspektive. Gegründet wurde der Verein in den 80er Jahren von dem panafrikanischen Akademiker, Prinz Kum’a Ndumbe III., legitimer Thronfolger von Lock Priso (Kum’a Mbape), einem der wichtigsten traditionellen Könige der Küstenvölker Kameruns (Sawa). Sein Engagement galt der kritischen Aufarbeitung und Rehabilitierung der afrikanischen Kulturen und der Geschichte des Kontinents.

Infobox: Definition Kolonialismus

In Wikipedia wird Kolonialismusals Inbesitznahme auswärtiger Territorien und die Unterwerfung, Vertreibung oder Ermordung der ansässigen Bevölkerung durch eine Kolonialherrschaft“ bezeichnet.

Der Deutsche Bundestag [1] hat in leichter Sprache eine Definition sowie den von Deutschland aus betriebenen Kolonialismus in der Zeit von 1884 bis 1919 veröffentlicht.

[1] Quelle: https://www.demokratie-leben.de/magazin/magazin-details/das-netzwerk-schule-ohne-rassismus-schule-mit-courage-103

“Politik der Inbesitznahme und Ausbeutung fremder, meist überseeischer Gebiete v.a. durch europäische Länder zwischen dem 16. und 20. Jh. Kolonialismus ist durch die territoriale Machtausweitung eines Staates mittels langfristig angelegter militärischer, politischer und/oder wirtschaftlicher Kontrolle über die unterworfene Kolonie gekennzeichnet. […]”

Quelle: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/kolonialismus-40965/version-264338

In diesem Video erklärt die Sozialwissenschaftlerin Imeh Ituen die Grundlagen zur Kolonialzeit, wie damals die verschärfte Ausbeutung von Ressourcen ferner Länder begann und wie der damals ausgebeutete Reichtum bis heute eine Rolle spielt.
Online auf youtube seit 21.08.2020 https://www.youtube.com/watch?v=lss2JZ_pIA0

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